FRANKFURT und ATLANTA, – Das neue Jahr beginnt mit ähnlichen Herausforderungen für Banken, mit denen das alte Jahr geendet ist. Geldwäsche, Korruption und Terrorfinanzierung sind weiterhin große Gefahren, denen Banken entgegentreten müssen. Für die kommende Zeit lässt sich ein Trend erkennen: Die Verantwortung der Finanzinstitute, die Geldflüsse von Kriminalität und Terrorismus aufzudecken, wird steigen. Seyfi Günay, Direktor für Finanzkriminalität und Compliance für die Region EMEA bei LexisNexis Risk Solutions, beantwortet Fragen zu den Entwicklungen, die uns in diesem Jahr erwarten.
Herr Günay, was genau wird Banken und andere Finanzinstitute im nächsten Jahr beschäftigen?
Seyfi Günay: Für die Banken ist das Niedrigzinsumfeld maßgeblich. Dieses bewirkt einen Kostendruck, der sich auf alle Bereiche der Banken auswirkt, auch die Compliance. Die Banken in Deutschland müssen immer stärker auf die Effizienz ihrer Lösungen achten. Darüber hinaus lehnen immer mehr Banken eine signifikante Anzahl potenzieller Kunden ab. Dies steht vor allem im Zusammenhang mit den Kosten, die eine Überprüfung möglicherweise auffälliger Kunden nach sich ziehen würde. Ein weiteres wichtiges Thema wird die Verhinderung von Terrorfinanzierung sein. Nach wie vor besteht für Banken die Gefahr, dass Terroristen ihre Systeme für Transaktionen verwenden. Es wird in der nächsten Zeit höchst wahrscheinlich einige Rückreisen von Personen geben, die sich von Europa aus dem Kampf des so genannten Islamischen Staates (IS) angeschlossen haben. Diese könnten dann nach ihrer Rückkehr das System der Banken in Deutschland dazu nutzen, Gelder an den IS zu transferieren, oder selber Mittel für Anschläge in Deutschland erhalten. Mit dieser Gefahr werden sich deutsche Banken sehr intensiv auseinandersetzen müssen.
Welche Entwicklungen wird es bezüglich der Regulierung 2017 geben?
Günay: Die Regulationsdichte wird im nächsten Jahr weiter zunehmen. Die vierte EU-Direktive zur Verhinderung von Geldwäsche muss 2017 in nationales Recht umgesetzt werden. Eine wesentliche Neuerung ist, dass die Bandbreite von Organisationen, denen eine maßgebliche Rolle bei der Aufdeckung von Geldwäsche zukommt, erweitert wird. So werden demnächst auch Unternehmen der Immobilienwirtschaft stärker in die Verantwortung genommen. Grundsätzlich ist es so, dass die Regulierung von Banken immer weiter zunimmt und auch die Komplexität der Anforderungen steigt. Viele Banken schätzen deshalb eine Zusammenarbeit zwischen den Instituten als sinnvoll ein. Der Austausch von Daten zur Kundenprüfung in Bezug auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung würde die Arbeit der Banken beschleunigen und das Ergebnis präzisieren. Die meisten Banken befürworten daher einen solchen Ansatz. Übrigens funktioniert dies bei der Überprüfung der Kreditwürdigkeit bereits sehr gut.
Könnte die stärker werdende Regulierung dazu führen, dass Banken manche Risiken meiden werden?
Günay: Dieses so genannte De-Risiking ist eine Option. Banken bieten Kunden dann weniger Leistungen an und versuchen auf diese Weise das Risiko zu verringern. So nehmen Banken beispielsweise generell keine Geschäftsbeziehungen zu potenziellen Kunden auf, die einen syrischen Pass haben. Es findet keine detaillierte Prüfung statt, sondern allein das Merkmal der syrischen Staatsangehörigkeit führt zu einer höhen Einstufung des Risikos. Eine andere Möglichkeit ist das Re-Risking. Dabei wird die finanzielle Inklusion gefördert, also die Teilnahme von möglichst vielen Menschen am Finanzsystem über möglichst viele Produkte. Auf diese Weise werden mehr Daten generiert, die dann zu besseren Analyseergebnissen führen. Das Re-Risking hat also Vorteile für Banken, die über mehr Informationen verfügen und damit ein besseres Risikomanagement gewährleisten können. Außerdem profitieren davon Privatpersonen und auch Unternehmen, denen Banken mehr Dienstleistungen anbieten.
In welche Richtung wird sich der Bankensektor entwickeln? Mehr Integration oder mehr Abschottung?
Günay: In Deutschland werden sich Banken kaum entscheiden können: Dadurch, dass jeder, der sich längerfristig in Deutschland aufhält, das Recht auf ein Guthabenkonto hat, schreitet die finanzielle Inklusion immer weiter fort. Bezogen auf alle Kunden ist die Rate der Ablehnungen aber nach wie vor hoch, besonders in Deutschland. 19 Prozent der Banken weisen über 25 Prozent ihrer potenziellen Kunden ab, weil sie Prüfungen aufgrund von fehlenden Daten nicht durchführen können oder das Ergebnis qualitativ unzureichend ist. Banken entgeht damit Gewinn, was sie sich eigentlich nicht leisten können, deshalb werden die Institute deutlich mehr auf effiziente und verlässliche Compliance-Lösungen setzen.
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